www.uni-frankfurt.de/~tiemann: Änderungsstand 17.1.2009/25./10.6./23.10./31./
Rainer Tiemann
Methodologie
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften (FB03)
Universität Frankfurt am Main (JWGU)
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Zur "Etymologie der Terminologie" addenda:

Plural von addendum, neutrum "das Hinzuzufügende" von addere (addo, addidi, additum (ad dare)=hinzufügen): Hinzuzufügendes, Ergänzungen


In jedem anständigen, einfallsreich geschriebenen Buch ist irgendwas vergessen worden, was man tunlichst hätte reinschreiben sollen; dafür sind - nicht unbedingt zum Ausgleich - auch Überflüssigkeiten reingeschrieben worden, die man eigentlich auch hätte weglassen können. Siehe dazu Seite e010.7
Alles in statu nascendi natürlich, insbesondere die Anmerkungen dazu.



Ein paar Nachträge zu Begriffen, die enthalten hätten sein sollen (alles in statu nascendi natürlich)
Die Übersetzung von Wörtern findet sich gegebenenfalls im Wörterbuchteil des Buches.


addendum: siehe hier
erratum:      siehe dort

Datenerhebung
durch gucken, lesen, fragen - nach Regeln, selbst dann wenn vorgeblich qualitativ geforscht

Formalität; formal
forma; formare

Impetus
in; petere
allgemeine Anregung, Aufforderung, Motivation gar, aktiv zu werden.
Nicht zu verwechseln mit einem Stimulus, der unmittelbar auf eine klar umrissene Handlung zielt.

Individuum
in; dividere
derdiedas Einzelne, nicht in seine Bestandteile auflösbare (atomos)

Information
in; formare
Wenn unter formare bilden verstanden werden kann, dann sollte Information offenbar der Bildung von Wissen über etwas dienlich sein.

Instrument
in; struere
dient offenbar dazu, etwas zu bauen, zu errichten, herzustellen, ein Werkzeug folglich
Z.B., um eine Befragung durchzuführen, und dann wäre sowas ein Fragebogen, zunächst ziemlich gleich, ob zur postalischen, also schriftlichen, oder mündlichen, sei es unmittelbar im Angesicht als Interview oder sonst mündlich, auch telefonisch.

Multikausalität
multus; causa
bedarf wohl keiner weiteren etymologischen Erläuterung. Siehe Monokausalität zuvor.

Nation
Ergänzende Bemerkung zu Karl Marxens Aufruf an die Proletarier aller Welt:
Auf seinem Grabstein in London Highgate steht geschrieben "Workers of all lands unite!" - als auch keine Nationen.

olfaktorisch
oleum=Olivenöl; olere (oleo)=riechen; facere; olfacere=etwas erschnuppern
den Geruchssinn betreffend

Person; Persönlichkeit; persönlich
per; sonare
ursprünglich aus dem - griechischen - Theater übernommene Bezeichnung des eine Rolle spielenden Schauspielers, der über seine die Rolle ausdrückende Maske seiner Rolle akustisch Ausdruck gibt, durch die seine Sprache tönt.
Person inzwischen als verallgenmeinernde Bezeichnung für einen Menschen; wenn weiblich - "diese Person" - dann abschätzig.
Persönlichkeit im Sinne besonderer Eigenständigkeit, Individualität eines Menschen.
Persönlich dann als Hinweis darauf, daß man selbst gemeint sei und nicht ein anderer für einen handelt, spricht.

Perversion; Pervertierung; pervertieren; pervers
per; vertere
etwas stark (per) verdrehen, oft damit in sein Gegenteil wenden; i.a. die Unnatürlichkeit, Verdrehtheit gewissermaßen, von etwas, einem Handeln, ausdrückend.
vgl verte!

Placebo
placere=gefallen (s'il vous plaît; please); placebo=ich werde gefallen
Medikament - im guten Glauben genommen - ohne Wirkstoff aber je nach Patientenglaube mit Wirkung.
Testanordnungen, scheinbar unterschiedlicher Art, anscheinend daher unterschiedlich bearbeitet.
Man verteilt Fragebögen scheinbar gleicher Art, aber gezielt inhaltlicher Unterschiedlichkeit, um die Zufälligkeit des Ankreuzens von Aussagen zu untersuchen - das wäre gewissermaßen die Umkehrung des Placebo-Konzepts.
Oder man verteilt Testbögen, die als unterschiedliche Varianten gekennzeichnet, in Wirklichkeit aber, um der Forschung keinen allzu großen Arbeitsmehraufwand zuzumuten, gleich sind. Die Probanden ihrerseits gehen von unterschiedlichen Aufgabenstellungen aus und verhalten sich entsprechend.

placet
placere; siehe Placebo
es gefällt, es ist recht so, Einverständnis ausdrückend; gegebenenfalls natürlich auch die stirnerunzelnde Bemerkung des "non placet"

Procrastination
pro; cras=morgen; crastinum=Folgetag; procrastinatio; procrastinare=auf den Folgetag verschieben
antriebsschwächebedingte Aufschieberei (manchmal doch) notwendiger Arbeit
"was Du morgen kannst besorgen, das verschiebe gern auf übermorgen"
bereits in Heyse 1879 enthalten und in Georges 1897 sowieso; also nicht erst in international language als proukrästineischn

Realisierung; Realisation; realisieren
res; realis
etwas als Sache erkennen (Wahrnehmung) oder eine Idee zur Sache machen (Verwirklichung)
Siehe Anmerkungen dazu zur De-Differenzierung, der Ent-Terminologisierung auf Seite e010.4 oben

Replikationsstudie
re; plicare=(zusammen)falten; replicare=nochmal aufrollen
Wiederholung einer Forschung
Das ganze Bündel an Forschungsarbeit nochmal aufmachen und anhand neuer Beobachtung gucken, ob's anders - oder meistens doch gleich - ist (was beruhigend sein könnte; manchmal auch nicht).

Scheinkorrelation
siehe Filiation

Schema, schematisch (gr)
to schema= Haltung, Benehmen, Erscheinung, Kleidung, Staatsform...
eine Vorgabe für etwas; nach Vorgabe, ohne weitere Anpassung an eventuelle Randbedingungen verfahren
So ziemlich die schlechteste Art, Statistik zu vermitteln - meint der Verfasser dieser Zeilen

Schisma (gr)
to schisma= Spaltung, Riß, Zwiespalt (sigma, chi - also s chisma)
hat nichts mit der Schia, also schiitisch, zu tun

Schule
lat schola, durchaus bereits im Sinne schulischer Einrichtung neuerer Zeiten
urspr gr he scholé (sigma chi omikron lambda eta - also s cholé)
Ruhe, Müßiggang, Langsamkeit... letztlich auch im Sinne der Gelegenheit von Lernen: Schule, Studium
gut Ding will Weile haben, Lernen braucht seine Zeit, geht langsam und Ruhe braucht man auch dazu.
Wenn man all das berücksichtigt, dann ist der ursprüngliche griechische Sinne der scholae gar nicht mehr so abwegig.

Studium, Student(in) - der Studiosus bzw die Studiosa => sine ira et studio
lt studium= der innere Drang, Trieb, Neigung, Lust, Eifer etwas (eifrig!) zu tun;
studere (studeo)= eine Angelegenheit eifrig betreiben, nach etwas streben - nach wissenschaftlicher Erkenntnis z.B. oder nach Berufsfertigkeiten, was beides als legitimes Ziel von Bemühen anzusehen wäre, aber dennoch nicht globalisierend vermischt werden sollte. Ein Student ist eine(r), derdie dabei ist, dies zu tun (studens, Genetiv studentis).
Da kollidieren lateinisches und deutsches Sprachempfinden: Ein Student ist eben ein Student, so an einer Universität, auch Fachhochschule o.ä. immatrikuliert (whereas a student can be anything else, at High School or Low (also Law) School). Ob der Student aber auch ein Studierender ist, das studieren also auch tatsächlich tut und nicht nur die sozialen Vorteile des lustigen Studentenlebens anhand des kulinarisch gepflegten Mensa-Essens schmarotzend, wie manche sagen mögen und nach Studiengebühren rufen, genießt, ist eine andere Frage. Daher die Unsinnigkeit von Studierendenhäusern, nur weil manche glauben, daß in ein Studentenhaus keine Studentinnen reingelassen würden - welch eine langeweile Eintönigkeit, ein Haus voller Studenten ohne Studentinnen (und umgekehrt wohl auch), wiewohl derartiges in manchen Gesellschaften durchaus praktiziert wird, gegebenenfalls mit Videoübertragung dessen, was ein - dann meist doch männlicher - Proff so aus irgendwelchen Schriften vorliest.
Zur Sprach-Dedifferenzierung (e010.4): Wie erwähnt, kann ein Student im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch so manches sein; die deutsche Sprache unterscheidet da. Gleiches sollte immer noch für das studieren selbst gelten, denn "to study etwas", sollte man nicht grundsätzlich und unüberlegt mit "etwas studieren" übersetzen. "when I studied may finger nails I noticed some dirt, so I decided to go to a rest room etc" vielleicht als Fingerstudium Schmutz-Notizen machend, in einen Ruheraum sich begebend?
Zu Studiosus (die weibliche Form Studiosa ist korrekt aber unüblich): da wurde das lateinische Adjektiv im deutschen zu einem Substantiv umfirmiert, und bezeichnet, etwas antiquiert und inzwischen ironisierend, eben einen Studenten, von dem man wohlwollend annimmt, daß er eben auch eifrig dabei sei, sich um seine Wissenserweiterung zu bemühen.
Einstweilen abschließend übrigens sei zu erwähnen, daß von der ursprünglichen Bedeutung her das lateinische studium der ebenso ursprünglichen Bedeutung des arabischen dschihad sinnverwandt zu verstehen wäre, aber ebendies miß-verstehen so manche Etymologie-Ignoranten; schade.

Semester
semi

sozial; Soziale Wirklichkeit
socius, socia= der, die Gefährte, Gefährtin

Stichprobenfehler
Verweis von standard error

Superstition
Aberglaube

Text
texere
das zusammengewebte, - gefügte (aus Wörtern, und die wiederum aus Buchstaben,
insgesamt möglicherweise Sinn ergebend)



Ein paar Nachträge zu Redewendungen, die enthalten hätten sein sollen (alles in statu nascendi natürlich)

age quod agis (e-r-.4)
Imperative: age! - handle!    fac! - tu [was]!
cave: es hat mal einen Lateinschüler gegeben, der seinen Lateinlehrer mit "salve, boss" begrüßt hat.
Der bierernste Magister hat darauf einen Rechtsstreit angezettelt, da er meinte, mit "salve, bos" angesprochen worden zu sein. Difficile est satiram etc...?
So wäre die Aufforderung zur Äckschn unter bestimmten Randbedingungen vorsichtigerweise eher mit age! denn mit fac! auszusprechen.

circulus vitiosus
circulus=Kreis,Versammlung; vitium=Fehler,Schaden,Gebrechen; vitiosus=fehlerhaft,mangelhaft,verkehrt
Zirkelschluß; logische, in sich selbst wiederkehrende, Argumentation; Teufelskreis individueller, gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher Gegebenheiten; Sackgasse: solange Du mich festhältst, hau ich Dich - aber da Du mich haust, muß ich Dich festhalten, damit Du's nicht weitertust. Man schaue sich Vergangenheit und Gegenwart zu etwas konkreteren Beispielen an.
Nicht üblicherweise als solcher bezeichnet, aber in der empirischen Sozialforschung keineswegs selten, die symmetrischen Zusammenhänge ohne eindeutige, also wechselwirkende, Abhängigkeit zweier Variablen: Zeitungslektüre und Wahlentscheidung (HES I, t242).

do ut des
dare=geben; ut=damit
ich gebe|damit|du mögest geben
siehe Stichwort Reziprozität

omne [paene] aliquo modo, aliquo loco, aliquo tempore, aliquo accidere potest
omne=alles; paene=fast; aliquo=irgendwer,-wie,-was (Ablativ); locus=Ort; tempus=Zeit,Gelegenheit; ad; cadere=fallen; accidere=sich erreignen,passieren; posse=können (ersiees kann)
Seit Harrisburg und Tschernobyl wissen wir es und Lottospieler glauben sowieso dran: what can happen will happen (HES II, t910.1)

omne coniunctum [aliquo modo]
con; iungere=binden; coniungere=verbinden,zusammenhängen; aliquo modo=irgendwie
"irgendwie hängt doch alles mit allem - auf irgendeine Weise jedenfalls - zusammen" (tutor repetiter in circulo suave sapiens dixit).

status nascendi; in statu nascendi
nascere bzw nasci
der bzw im Zustand des (gerade) Entstehens; in der Entwicklung, in Bearbeitung noch; Software-Entwickler würden es gerne schon Beta-Stadium nennen

suum cuique (e-r-.91):
Man mag es nicht glauben, aber im Januar 2009 hat eine Werbeagentur für die Firma Tchibo, zusammen mit Esso, den Slogan "Jedem den Seinen" [Kaffee] ausgegeben.
Auch hier hat die Kampagne nicht lange gedauert. Und Esso soll dann behauptet haben, nichts damit zu tun gehabt zu haben, was sicherlich zutreffen mag, denn Benzin hat anderen olfaktorischen Charakter als Kaffee, auch wenn er an Tankstellen verkauft werden soll.



Ein paar Wörter zum Wörterbuch, die enthalten hätten sein sollen (alles in statu nascendi natürlich)

e050.3
nix, nivis: der Schnee

e690.3
frutex, fruticis: der Strauch, Busch



sequitur (à suivre, Forts. folgt)
...und wenn Sie etwas entdeckt haben, was Sie meinen, daß es nicht nur fehlt, sondern auch ergänzt, hinzugefügt werden sollte (addendum), dann schreiben Sie dem Verfasser doch einfach - danke.
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