Den Methodenkurs (mit
Statistik)
FK1/GM1 des WS 2009/10
nach der Abschlußklausur
beendende Grundsatzansprache
zu etwa 40 doch noch mal
gekommenen Kursteilnehmern
„Hier wird Wissen
Wirklichkeit“ – damit präsentiert sich die inzwischen nur noch als
Goethe-Universität firmierende Johann-Wolfgang-Goethe Universität – der
einzigen in – zu Frankfurt am Main.
Wissensvermittlung,
Ausbildung, Bildung?
„Sapere
aude!“ - hat Immanuel Kant gesagt, also „wage Wissen“,
oder grammatikalisch sauberer „wage zu wissen“, was inhaltlich nicht ganz die
gleiche Bedeutung hat.
Gewissermaßen „mach Dich
schlau!“ – so steht das übrigens auf jeder zweiten Seite des Koran,
nur hält sich nicht jeder daran.
Aber Roms große Universität
leitet ihren Namen „Università degli
studi di Roma La Sapienzia“
vom altitalienischen sapientia im Sinne von Weisheit
ab. Wissen allein ist wertfrei – unmoralisch sollte es nicht sein, einfach
a-moralisch. Wissen ohne Wissen gebrauchen zu wissen, ist
Verantwortungslosigkeit, und wie man aus der Historie weiß, auch allzu oft
unmoralisch dann (lesen Sie HES I&II, „Texte zum Umgang“, t910). Somit
verbietet es sich von selbst, an einem gesellschaftswissenschaftlichen
Fachbereich einfach Statistik zu lehren, formelhaft.
Den Stoff dieses Kurses
hätte ich (rt) in zwei bis vier Wochen maximal Ihnen
vortragen – aber nicht vermitteln können. Sie, die Kursteilnehmer, hätten ihn –
gegebenenfalls auch auswendig - lernen können, aber damit verständig umgehen,
hätten Sie nicht auf diese Weise lernen können. Das hätten Sie sich selbst
erarbeiten müssen – und viele von Ihnen haben es durchaus getan. Sie müssen den
Stoff erfahren, selbst. Erfahrung kann man Ihnen nicht vortragen. Die müssen
Sie selbst erleben. Es gibt so manches im Leben, was man meint, im Kopf,
theoretisch, abmachen, lernen zu können. Und dann staunt man irgendwann, wenn
man etwas älter geworden ist, daß gewisse Erlebnisse
selbst durchgemacht werden müssen, und sie eben doch etwas anders sind, als man
es sich so theoretisch zuvor gedacht hatte.
Empirische Sozialforschung -
damit Erkenntnisse aus der Beobachtung sozialer Wirklichkeit - muß erfahren werden. Das war die Geschichte von dem emporos der Antike, der als Händler und Großkaufmann (im
Unterschied zum kapellos, dem Kleinhändler für den
Endverbraucher), durch die weite Welt gefahren ist, um Handel zu treiben und
damit so manches an Erfahrung – empireia – mit nach hause gebracht, und dann davon erzählt, nicht nur über
Bilanzen berichtet hat, wie es die Wirtschaftswissenschaften nur allzu oft gerne
vordergründig lehren.
Etwas zur Informationsdichte
in unserem Kurs:
Die wurde von verschiedenen
Seiten, nicht nur teilnehmer-seitig, bemängelt. Wer
die Übungen des Montags und die Erläuterungen sowie Ergänzungen dazu vom
Mittwoch durchgearbeitet hat, wer gelesen hat, was an Lesehinweisen zu den
„Grünen Büchern“ gegeben worden ist, die begleitenden Sonderdrucke – auch die
scheinbar überflüssigen Beiträge von Zeitungsausschnitten dazu – sich nicht nur
angeschaut, sondern es auch bedacht – also darüber nachdenkend – getan hat, hat
sich über Angebotsdefizite des Kurses nicht beklagen können – höchstens davon
eher ein bißchen erschlagen, überfordert worden zu
sein… Und dann ist man oft ins Tutorium gegangen, aber hinterher anschließend
nicht mehr in das, was ich nicht gerne Vorlesung nenne. Denn lesen können,
müssen Sie selbst. Ich lese selten vor, und wenn – so sagt man mir – merkt man
es kaum, weil ich Sie verführen will, parallel zu meinem Vortragen mitzudenken.
Ich habe meine Vorlesungen
bisweilen – ironisierenderweise, wie das so bei mir
hin und wieder vorkommt – als Zusatzveranstaltungen, die Tutorien ergänzend, bezeichnet.
Vorlesungen im Zeitalter moderner Informationsmedien sind anachronistisch.
Lesen Sie HES V, „Empirische Methodenwirklichkeiten“, w180.7. Da geht es um story
telling. Ich habe das oft Exegese genannt. Lesen Sie
dazu HES VI „Etymologie der Terminologie“ e-t-.39. Oft habe ich den Vormittag
auch eingeleitet mit der – scheinbar – hilfeheischenden, scheinbare Unvorbereitetheit suggerierenden, Frage, was man denn so heute machen wolle. Was
sollte das, wo es in der Vorlesung selbst nur exegetisches, unterhaltsames
gegeben haben soll?
Das war, im Unterschied zu
den mehr Übungen als Lernkontrollen am Montag gegen Mittag, echte
Lernkontrolle: Wenn Sie es verstanden haben, so ahnungsweise jedenfalls, dann
hatten Sie das Erfolgserlebnis des gelernt habens –
nein, daß Sie es erfahren und begriffen haben.
Da habe ich Sie regelmäßig
heraus-gefordert, Ihr Verständnis ge-fordert,
eigentlich Ihr mit der Zeit erworbenes Verständnis aus Ihnen heraus-gefordert
(man denke an die eigentliche Bedeutung von Examen, examinieren, was eben nicht
bedeutet, einem Kandidaten klar zu machen, was er nicht weiß, ihn zur S.. zu
machen). Gut, zugestanden, bisweilen habe ich Sie auch etwas – durch opake Kryptik
gewissermaßen – über-fordert. Das nennt man Anregungen geben zum
weiterdenken, durchaus im doppelten Sinne des weiter denkens.
Für Fans der Logik von Sprache: das weiter läßt sich
temporal wie lokal verstehen, am besten beides.
Wir (das KBK als KursBetreuungsKollektiv)
haben uns gefreut, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wir haben von Ihnen gelernt.
Viele haben auch von uns gelernt, und – in aller Bescheidenheit – auch von mir
und meiner, für manche und manchmal, etwas gewöhnungsbedürftigen Art der
Veranstaltungs-Gestaltung. Manche haben das durchaus geschätzt, zu schätzen
gelernt am Ende, andere nun wirklich nicht, aber sie haben sich nun mal auf
mich eingelassen.
Schauen wir doch mal, zum Schluß der Betrachtung, was einige von Ihnen, ihre postklausuralen Emotionen ausdrückend, so vermerkt haben, wie
es in der Datenerhebung unmittelbar nach der Klausur erforscht worden ist:
Wei soz
bac (davon hat es 31 gegeben):
„…Eigentlich habe ich die
Logik des Kurses viel später erfahren (nach der 9.Übung [von 13])“
Wei pol
bac (davon hat es 34 gegeben):
„Ich habe die pädagogischen
Intentionen des Veranstalters zu spät begriffen. […] Könnte ich die Zeit
zurückdrehen, wäre ich definitiv eine erfolgreichere Teilnehmerin von FK1.
Schade!!!“
Wei pol
bac (davon hat es 34 gegeben):
„Im nachhinein waren Materialien und anderes doch sehr
hilfreich und enthielten die essenziellen Informationen“
Mae pol
bac (davon hat es 46 gegeben):
„Dieser FK1-Kurs war eine
bemerkenswerte Erfahrung. Und es war die richtige Entscheidung, ihn zu wählen“
Mae pol
bac (davon hat es 46 gegeben):
„Hoffentlich hab ich die
Klausur bestanden, damit ich diesen bekloppten Kurs nicht mehr besuchen muß!“
Wei soz
bac (davon hat es 31 gegeben):
„Bis nächstes Semester FK1 J“
--- [Nein, wei soz bac
hatte „FK2“ geschrieben!]
Mae pol
bac (davon hat es 46 gegeben):
„Genießen Sie Ihre Rente,
falls sie denn mal kommt“
--- [Da fragt sich rt (nicht), wie das gemeint sein könne; schließlich nähert
er sich jeden Tag mehr seinem Rentensein.]
rt
10.Februar 2010 (Überarbeitung
vom 14.2.)